Als ich das erste Mal bewusst einer anderen Person meine Hände auflegte, hatte diese Handlung etwas Heiliges für mich. Ich versank in einen Zustand des inneren Friedens. Zwar kannte ich Reiki und hatte mich selbst auch schon mehrmals damit behandeln lassen, aber es war nicht das, wonach ich suchte. Das Handauflegen auf der Grundlage des stillen Gebets zu praktizieren war etwas, was mir mehr entsprach.

 

Heilen geschieht nicht immer dort, wo wir es erwarten

Am Anfang waren meine Erwartungen ans Heilen noch groß. Ich wollte natürlich, dass das Leiden verschwindet, habe mich aber mit diesem Wunsch zu sehr an den Klienten gebunden. Dadurch entstand Abhängigkeit. Heilwirkungen können sich jedoch nur einstellen, wenn ich es schaffe, mich als Person zurück zu nehmen und das Ergebnis in Gottes Hände zu legen. Der Klient kommt vielleicht mit Rückenleiden und wünscht sich, dass das Leiden verschwindet. Aber dann geschieht Heilung vielleicht erst mal auf ganz anderer Ebene. Die Heilungsenergie ist von großer Intelligenz, und wir müssen darauf vertrauen, dass sie dorthin fließt, wo sie zunächst am dringendsten gebraucht wird. Vielleicht nicht im Rücken, vielleicht aber auf seelischer Ebene.

Ein schönes Beispiel dazu beschreibt Anne Höfler in ihrem Buch “Open Hands”. Es ist die Geschichte von Pauline, die an Arthritis und starken Schmerzen im Rücken litt. Sie hatte nach der Schule einen Mann geheiratet, der sie lieblos behandelte, und auch ihre Kinder beschrieb sie als ihr gegenüber undankbar. Nachdem sie von Anne das erste Mal die Hände aufgelegt bekam, berichtete sie nach einer Woche, dass es ihr noch schlechter ging als zuvor. Sie hatte nun auch Schmerzen im Knie, Durchfall und einen Ausschlag im Gesicht. Diese Erstverschlimmerung ist eine positive Reaktion des Körpers, die uns zeigt, dass die Lebenskraft stimuliert und der Organismus zur Selbstheilung angeregt wird. Der Geist findet zunehmend Frieden, während der Körper noch leidet. Nachdem Anne ihr erneut die Hände auflegte, berichtete Pauline nach einer weiteren Woche, dass Menschen sie plötzlich grüßten, was ihr noch nie zuvor passiert sei, und nach noch einer Woche, dass ihr Mann, der noch nie etwas freiwillig im Haus getan hätte, ihr plötzlich angeboten hatte, das Zimmer zu tapezieren. Weitere Veränderungen geschahen und schließlich verschwanden auch ihre Rückenschmerzen.

 

Beim Handauflegen geht es nicht um Techniken, im Zentrum steht die Einstellung des Heilers

In der Schule “Open Hands”, gegründet von Anne Höfler, geschieht Handauflegen auf der Grundlage der Kontemplation. Ein wichtiger Bestandteil der Ethik dieser Schule sind die 7 Prinzipien der Einstellung beim Handauflegen. Als ich diese das erste Mal kennen lernte, war es, als würde etwas ganz tief meine Seele berühren. Als würde ich etwas hören, was ich zwar kannte, was mir aber in meinem bisherigen Leben irgendwie abhanden gekommen war. Voller Demut ließ ich diese starken Worte auf mich wirken. Und als ich dann begann, meine Hände aufzulegen, wusste ich, dass genau das mein Weg war, all das Verlorene wieder in mir zu integrieren. Nicht nur in Bezug zu meiner Aufgabe als Heiler, sondern auch in Bezug zu allen anderen Dingen in meinem Leben.

Während des Handauflegens den 7 Prinzipien zu folgen, ist deshalb für mich eine große Hilfe, mich von Wunschvorstellungen zu befreien und im Vertrauen bleiben zu können. Man könnte meinen, geistige Heilung beruhe auf Techniken, auf Energien, Meridianen, Magnetismus oder Polaritäten, doch so sehr diese Sachen auch dazu gehören, meiner Erfahrung nach ist es letzten Endes die Einstellung des Heilers, die den Heilprozess am Wesentlichsten beeinflusst. Und die 7 Prinzipien des Handauflegens sind nichts anderes als Mittel und Wege, um in die richtige Einstellung zu gelangen - derjenigen Einstellung, mit der Heilen möglich ist.

1. Gebet

Das Handauflegen ist ein heiliger Akt. Deshalb ist es ganz wichtig, dass ich mich mit einem Gebet einstimme, bevor ich eine Behandlung beginne. Im Laufe der Behandlungen habe ich mein ganz eigenes Gebet gefunden. Ein Gebet, in dem ich um Heilung für den Menschen bitte, der vor mir liegt. Ich bitte nicht darum, dass seine Symptome verschwinden, von denen er mir erzählt hat. Heilung kann viel umfassender sein als das, was wir uns vorstellen. Heilung kann auch bedeuten, inneren Frieden zu finden, das eigene Leiden anzunehmen und selbst den Tod.

2. Kanal sein

Kanal zu sein heißt, dass ich die göttliche Energie durch mich hindurch und über meine Hände zum Klienten fließen lasse. Nicht ich bin es die heilt, sondern die göttliche Kraft, die man auch als allumfassende bedingungslose Liebe bezeichnen kann. Ich bin einfach da und lasse alles geschehen. Nur so kann ich als Heiler neutral bleiben.

3. Vertrauen

Als Heiler muss ich darauf vertrauen, dass alles, genau so wie es gerade ist, vollkommen ist. Diese Vollkommenheit schließt besonders die Krankheiten der Menschen ein, die zu mir kommen. Genauso muss ich darauf vertrauen, dass das was passiert, das Richtige ist. Heilung geschieht nur, wenn sie auch der Klient möchte, deshalb bestimmt er allein, wie viel er von der heilenden Energie gerade benötigt.

4. Loslassen

Ich muss "Ja" sagen können, zu allem was ist, wie groß das Leid auch sein mag, und ich muss meine eigenen Vorstellungen darüber, wie der Heilungsweg aussehen sollte, loslassen können. Mit "Dein Wille geschehe." (Matthäus Evangelium 26,42) lege ich den Heilungsweg in Gottes Hände. Als Heiler kann ich nichts erreichen, was nicht dem göttlichen Plan entspricht.

5. Geduld

Geduld hilft mir dabei, Ruhe zu bewahren und die Krankheit anzunehmen, wie schlimm sie auch sein mag. Da Heilung immer von innen nach außen geschieht, kann es sein, dass für Beide, Heiler und Klient, zunächst nichts Sichtbares wahrzunehmen ist. Nur Geduld ermöglicht es mir und auch dem Klienten, auf das Ziel ausgerichtet zu bleiben und darauf zu vertrauen, dass alles zur richtigen Zeit geschieht.  Oft ist die Vorstellung von Geistheilung mit sensationellen Berichten von "Wunderheilungen"  verbunden. Natürlich gibt es diese auch und wir können sehr dankbar dafür sein. Aber zu 95% geschieht Heilung langsam und stetig und ist somit stabiler.

6. Dankbarkeit

Dankbarkeit gehört zu den wirksamsten Kräften, das Herz zu öffnen. Bin ich während des Handauflegens in Dankbarkeit, beeinflusst diese Energie nicht nur mein eigenes Feld, sondern auch das Energiefeld des Klienten. Dankbar zu sein hilft mir auch dabei, Kanal zu sein. Denn ich kann nicht gleichzeitig dankbar und in Sorge sein.

7. Liebe

Gott ist Liebe, und ich öffne mich für diese Liebe während ich meine Hände auflege. Ich gehe mit den Menschen, die zu mir kommen, eine Einheit ein. Ich erfahre ihre Schmerzen, ihre Probleme, aber werte nicht. Nur wenn ich sie liebevoll annehmen kann, was ihre Schwächen mit einschließt, kann Heilung auf tiefster Ebene geschehen. Mit der Energie der Liebe verbunden zu bleiben, ist die wichtigste Voraussetzung für einen Heiler. Liebe ist die größte Kraft, die Heilung und Veränderung bewirken kann.

 

Was ist der Lohn des Handauflegens? Das Privileg, Menschen in den Situationen ihres Lebens beistehen zu dürfen, in denen alles Unwichtige wegbricht, weil es um das Wesentliche geht.
— Anne Höfler

In einer Welt, in der die konventionelle Medizin immer technischer und nach den wahren Ursachen von Krankheit immer weniger geforscht wird, Ärzte kaum noch Zeit für ihre Patienten haben, gibt mir das Handauflegen die Möglichkeit, den Menschen in seiner Ganzheit wahrzunehmen. Handauflegen schafft mir den Raum, mich auf den anderen einlassen und mich ihm liebevoll zuwenden zu können. Wenn es mir als Heiler gelingt, den Menschen nicht nur auf der körperlichen Ebene, sondern auch und genauso stark auf der emotionalen, der mentalen und der spirituellen Ebene zu berühren, nur dann kann Heilung wirklich geschehen.

 



Anne Höfler: Open Hands - Grundlagen und Praxis des Handauflegens, Knaur 2011 (erhältlich im Buchhandel, bei Amazon oder direkt bei Droemer-Knaur)

Anne Höfler fand ihren Weg, weil eines ihrer Kinder schwer an Neurodermitis erkrankt war. Nachdem sie täglich ihre Hände auflegte und dabei das Vaterunser betete, war ihre Tochter nach 9 Monaten einigermaßen symptomfrei. Darauf hin wandte sie sich der spirituellen Heilung zu und gibt seit 1989 in ganz Deutschland und anderen Ländern Seminare, wobei es ihr um ein Miteinander von Schulmedizin und geistiger Heilung geht.